In den letzten Wochen ist so viel passiert, dass die Übergabe des Offenen Briefes schon fast einer anderen Epoche angehört. Die Auswertung unserer Umfrage zu den ersten Folgen der Corona-Krise gibt eine Momentaufnahme einer sich rasch wandelnden Lage. Geantwortet haben vor allem Freiberufler, wahrscheinlich deshalb, weil in diesem Bereich die Unklarheiten am größten waren und noch immer sind. Aber auch der Bereich der outgesourcten Besucherbetreuung war dabei – wir vermuten auch hier massive Probleme. Egal wo ihr arbeitet: Zum Stand der Dinge gern nochmal Bescheid geben an info@geschichte-wird-gemacht.org.
Völlig neu erfunden werden musste in den letzten Wochen die sozialpolitische Reaktion auf den Auftragsausfall von Soloselbständigen in der Corona-Pandemie – auch für freie Mitarbeiter*innen von Museen und Gedenkstätten. Hier eine Übersicht. Bitte beachtet: Wir können leider keine Rückfragen beantworten oder Beratung leisten.
Nützliche Websites
* Corona – FAQ für Solo-Selbstständige von verdi (ständig aktualisiert)
* Corona-Hilfestellung für Künstler*innen und Selbstständige von Creative City Berlin
* Ausführliche Übersicht über die verschiedenen Soforthilfen von Kreative Deutschland
* Helpline für Betroffene von Härting (kostenlose anwaltliche Beratung)
Maßnahmen des Bundes
Grundsätzlich gilt: Soforthilfe für Betriebskosten – Hartz IV für Lebenskosten.
Die „Corona-Soforthilfe“ der Bundesregierung, Einmalzahlungen von bis zu 9.000 € für drei Monate, wird den allermeisten freien Mitarbeiter*innen in Museen und Gedenkstätten nicht helfen. Sie soll ausschließlich laufende Betriebskosten von Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmen decken. Die Beantragung läuft über die Länder, der Verwendungszweck der Gelder muss einzeln angegeben werden.
Das „Sozialschutzpaket“ soll den Lebensunterhalt sichern. Dazu wird der Zugang zur Grundsicherung (Hartz IV) erleichtert. Die Vermögensprüfung wird für sechs Monate ausgesetzt, Miet- und Heizkosten der Wohnung werden vollständig übernommen. Ganz so unbürokratisch wie angekündigt läuft das Ganze aber noch nicht. Und: Weiterhin werden Bedarfsgemeinschaften, d.h. die Einkommen anderer Haushaltsmitglieder, angerechnet. Außerdem werden Studierende auch in der aktuellen Notlage keinen Zugang zur Grundsicherung erhalten. Viele von uns werden deswegen leider leer ausgehen.
Maßnahmen der Länder
Fast alle Bundesländer haben inzwischen Notfallfonds geschaffen oder geplant. Die Modalitäten sind aber teils sehr verschieden. Entscheidend ist eine Betriebsstätte im jeweiligen Bundesland.
In Berlin bekommen Solo-Selbstständige 5.000 € für sechs Monate um Corona-bedingte Einkommenseinbußen abzufedern („Soforthilfe II“). Im FAQ der Senatsverwaltung heißt es explizit: „Selbständige Kunstvermittler*innen (Guides, Honorarkräfte etc.) fallen unter die Kategorien Freiberufler oder Soloselbständige und sind ganz ausdrücklich antragsberechtigt“. Wer in Berlin in Gedenkstätten oder Museen als freie*r Mitarbeiter*in tätig ist und Hilfe benötigt, sollte diese Soforthilfe beantragen. Das Verfahren läuft über die IBB. Es gibt eine lange Warteliste, die aber inzwischen relativ zügig abgearbeitet wird. Das Geld soll in jedem Fall „für alle reichen“ (Klaus Lederer). Für den Antrag benötigt ihr eure persönliche Steuer-ID (nicht die Steuernummer!) und die Ausweisnummer eures Personalausweises oder Passes. Wer vorsteuerabzugsberechtigt ist (d.h. Umsatzsteuer zahlt) muss außerdem die Umsatzsteuer-ID angeben, welche ihr gegebenenfalls vom Bundeszentralamt für Steuern bekommt. Hier findet ihr eine Anleitung zum Ausfüllen des Antrags von Kreativ Kultur Berlin.
Außerdem gibt es ein Rundschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen vom 27.03.2020 demzufolge die freien Mitarbeiter*innen der Einrichtungen des Landes Berlin “in anderer Form” während der Pandemie weiter beauftragt werden sollen: “Es liegt in der Verantwortung der vertragschließenden Verwaltungen, Art und Umfang der möglichen Leistungserbringung neu zu definieren. Denn: Auch wenn die Leistungen der Honorarkräfte infolgedessen anders und ggf. im verringerten Umfang erbracht werden, kann das ursprünglich vereinbarte Honorar weitergezahlt werden.” Das soll auch für freie Mitarbeiter*innen in Gedenkstätten und Museen gelten. Es bleibt abzuwarten, in welcher Form diese Maßnahme von den jeweiligen Einrichtungen umgesetzt wird. (Link via Landesmusikrat Berlin)
Brandenburg zahlt bis zu 9.000 € Soforthilfe für drei Monate. Das Verfahren läuft über die ILB. Im Formular heißt es: „Antragsberechtigt sind gewerbliche Unternehmen gemäß § 2 GewStG und Angehörige Freier Berufe mit bis zu 100 Erwerbstätigen mit Betriebsstätte bzw. Arbeitsstätte im Land Brandenburg.“ Sowohl der Grund für den Liquiditätsengpass, als auch die Höhe des Schadens müssen angegeben werden. Für den Antrag braucht ihr eine Kopie des Personalausweises und einen Nachweis zum Unternehmen (Kopie des Steuerbescheids bei Selbstständigen).
Eine gute Übersicht über die Soforthilfen in anderen Bundesländern (u.a. NRW, Bremen, Bayern) liefert das verdi-FAQ.
Gibt es Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz?
Hier schwirren einige Falschinformationen herum. Entschädigungen für Selbstständige gibt es nur dann, wenn sie selbst wegen einer behördlich angeordneten Quarantäne nicht arbeiten dürfen – nicht aber, wenn z.B. der Besucherbetrieb eines Museums eingestellt wurde und keine Führungen mehr stattfinden können.
Was ist mit den Krankenkassenbeiträgen?
Hier gibt es anscheinend keine klare Linie. Solltet ihr gesetzlich versichert sein, richtet euch an eure Krankenkasse und schildert die Situation. Im Idealfall könnt ihr individuell eine Anpassung eurer Beitrage erreichen.
Und die Steuerlast?
Eine Stundung fälliger Steuern als auch eine Anpassung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen kann beim zuständigen Finanzamt beantragt werden. Mehr Infos findet ihr hier.
Ausblick
Auch wenn in Berlin schon erste Gelder geflossen sind, laufen die Soforthilfen erst langsam an. Noch ist es zu früh für eine abschließende Bewertung der verschiedenen Hilfsmaßnahmen. Aber in einigen Wochen werden wir eine zweite Umfrage herumschicken. Dann müssen wir herausfinden, welche Hilfen wirklich bei freien Mitarbeiter*innen in Museen und Gedenkstätten ankommen und welche nicht. Uns wird dann auch interessieren, inwiefern die jeweiligen Einrichtungen Hilfsmaßnahmen für freie Mitarbeiter*innen eingeleitet haben. Denn ein Ende des Ausnahmezustands und eine Rückkehr zum Normalbetrieb ist nicht in Sicht. Gegebenenfalls müssen wir auf Nachbesserungen (z.B. beim Zugang zur Grundsicherung) drängen.