Geschichte wird gemacht, das steht für: Geschichte ist nicht einfach so da, sie wurde und wird von Menschen gemacht, auf Arbeit und im Alltag wie in der großen Politik. Und die einmal gemachte Geschichte wird von Menschen erinnert. Das Bild von Geschichte muss recherchiert, erzeugt, verhandelt und vermittelt werden – und das ist, was wir tagtäglich tun. Den bisherigen Diskussionsprozess zur Initiative trugen Freiberufler*innen aus dem Bildungsbereich – von denen einige aber auch noch Tresendienst/ Besucherbetreuung machen – und befristet Beschäftigte aus Bildung und Wissenschaft – von denen die meisten schon mal freiberuflich waren oder es wieder sein werden. Viele von uns sind Mitglied (unterschiedlicher) Gewerkschaften. Einige von uns sind oder waren Betriebsrät*innen im Rahmen ihrer Anstellung.
Viel Interesse
Von Anfang an (März 2019) gab es an unserer Initiative viel Interesse, schnell großen Zulauf, was den Handlungsbedarf in unserer Branche unterstreicht. Teil der breiten Resonanz ist das Scheitern auch sehr viel bescheidenerer Interventionen in den letzten Jahren an verschiedenen Orten. Wo es Erfolge gab, blieben diese begrenzt und oft eher symbolischer Natur. In den einzelnen Einrichtungen haben vor allem frei arbeitende Bildungsreferent*innen viele separate Initiativen versucht (z.B. Gedenkstätte Berliner Mauer, Gedenkstätte Sachsenhausen, Topographie des Terrors). Freie Mitarbeiter*innen erarbeiteten teils detaillierte Forderungslisten; es fanden Gespräche mit den pädagogischen Leitungen bzw. Leitungspersonen statt. Hier und da kam es zu Anpassungen der Konditionen. Unseres Wissens gab und gibt es aber bisher keine einrichtungsübergreifenden Organisierungsversuche.
Einrichtungs- und statusgruppenübergreifend
Unsere Initiative wendet sich an feste und freie Mitarbeiter*innen über die verschiedenen Statusgruppen hinweg. Es sind bei den Unterstützenden Leute aus allen Bereichen dabei. Bislang hat uns von den Kolleg*innen niemand gesagt, dass er oder sie unsere Forderungen aus inhaltlichen oder politischen Gründen nicht unterstützen will.
Für die Festangestellten liegen die Probleme vor allem in der tariflichen Eingruppierung und den Befristungsregelungen. Viele Häuser arbeiten mit dezidierten Beschäftigungsverboten: Wer einmal befristet für zwei Jahre in der Einrichtung tätig war, kann nach Ablauf des Vertrags 10 Jahre lang nicht mehr in derselben Einrichtung beschäftigt werden. Dabei werden Regelaufgaben der Ausstellungsarbeit regelmäßig aus Drittmitteln oder Sonderprogrammen befristet finanziert. Eine absurde Situation.
Die museumspädagogische Arbeit mit Besucherinnen und Besuchern leisten überall freiberufliche Bildungsreferent*innen. Freiberufler*innen müssen regelmäßig mit dem Unverständnis der Verwaltungen und Behörden für ihren Status umgehen, wenn sie Sozialversicherungs- und Steuerfragen zu klären haben. In der Frage der Umsatzsteuerpflicht (wir arbeiten alle für selbstverständlich nicht umsatzsteuerpflichtige Einrichtungen!) macht jede*r von uns ganz gegensätzliche Erfahrungen – wobei nicht nur die Finanzämter z.B. innerhalb Berlins unterschiedlich agieren, sondern teilweise die einzelnen Mitarbeiter*innen innerhalb der einzelnen Ämter. So unterliegen manche von uns der Umsatzsteuerpflicht und andere nicht. Fast alle Einrichtungen weigern sich, bei Umsatzsteuerpflicht erhöhte Rechnungssätze auszuzahlen – das heißt dann: Wir müssen die Umsatzsteuer aus den ohnehin geringen Honorarsätzen zusätzlich abführen.
Es bleibt weniger als ein Viertel vom Stundensatz
Je nach Einrichtung und pädagogischem Format liegen die Honorarsätze aktuell zwischen 25 und 50 Euro pro Stunde. Zum Vergleich können wir aber nicht die Stundenlöhne festangestellter Beschäftigter heranziehen. Denn Freiberufler*innen müssen davon nicht nur alle Steuern und Abgaben selbst leisten. Es wird auch nur die Arbeitszeit vergütet, in der die Referent*innen vor Besucherinnen und Besuchern stehen. Wir müssen kalkulieren, dass auf jede bezahlte Stunde eine unbezahlte kommt: für Bürokratie, Organisatorisches, Overhead, private Weiterbildung, Akquise, Vorbereitung, als Puffer für Zeiten von Krankheit, Urlaub und kurzfristigen Stornos außerhalb von Ausfall-Vereinbarungen.
Nehmen wir als Rechenbeispiel einen durchschnittlichen Stundensatz von 42 Euro. Das Finanzamt erlaubt für Bildungsreferent*innen einen pauschalen Ansatz von 30% für Betriebsausgaben. Wir sind sparsam und nehmen nur 25% Betriebsausgaben an – bleiben 31,50 Euro „Überschuss“. Abgaben für Renten- und Krankenversicherung belaufen sich auf zusammen etwa 33%. Das heißt, als einkommensteuerpflichtiges Brutto-Einkommen bleiben nur 21 Euro/Stunde übrig, nach kalkulatorischen 10% EkSt noch 19 Euro/Stunde. Das ist aber, wie gesagt, der Satz für die bezahlten Stunden. Setzen wir pro bezahlter Stunde eine unbezahlte Stunde in die Rechnung ein, liegt der durchschnittliche Stundensatz bei nur 9,50 Euro netto. Muss die/der Referent*in Umsatzsteuer abführen, verringert sich der Betrag auf nur knapp über 8 Euro/Stunde netto. Fragen von Arbeitslosenversicherung oder Absicherung gegen die drohende Altersarmut haben wir dabei noch gar nicht gestellt.
Mit der Erhöhung der Honorarsätze auf 65 Euro pro Stunde, dem generellen Wegfall der Umsatzsteuerpflicht für unsere Arbeit und der Übernahme von 50% der Sozialversicherungsabgaben durch die Auftraggeberseite (wie kürzlich für die Berliner Volkshochschulen durchgesetzt) fordern wir letztlich einen Netto-Stundensatz von knapp über 18 Euro. Das erscheint uns keine überzogene Forderung.
Nur ein paar Prozent des jeweiligen Haushalts
Wichtig ist uns, dass die Verantwortlichen zunächst einmal anerkennen: Wir haben hier einrichtungsübergreifend ein Problem. Wir meinen, dass die Politik, aber auch das Leitungspersonal aus den Einrichtungen mit uns ins Gespräch kommen müssen. Die von uns vertretenen Forderungen würden jeweils nur ein paar Prozent des Haushalts der verschiedenen Museen/Gedenkstätten/Dokzentren usw. ausmachen. Das ginge also relativ einfach umzusetzen.
In jedem Fall ist der „Offene Brief“ nur ein erster Schritt. Unsere Arbeit wird weitergehen.